Die junge Frau
Nach der Scheidung meiner Eltern lebten wir drei Mädels, meine Schwester, unsere Mutter und ich ungefähr drei Jahre alleine. Es war eine schöne Zeit. Unsere Großeltern lebten nebenan; dort haben wir gegessen und gespielt und sie waren immer für uns da. Meine Mutter arbeitete zu der Zeit unglaublich viel, damit wir uns auch mal etwas leisten konnten. Um sie zu unterstützen, habe ich viel im Haushalt gearbeitet. Ich liebte es sehr, wenn meine Mutter sich über meine Hilfe freute, das machte mich ziemlich stolz. Sie nannte mich dann immer ihr großes, fleißiges Mädchen.
Zeitgleich fing ich an, Alkohol zu trinken. Weil das alle in meinem Freundeskreis taten und weil es ,,cool" war. Bis heute frage ich mich, wie ich so manches beschwipste Mal an meiner Mutter vorbeigekommen bin...
So habe ich in ganz jungen Jahren diesen Weg mit dem Alkohol eingeschlagen. Es war definitiv der falsche und ich hoffe so sehr, dass ich noch einige junge Menschen mit meiner Geschichte von diesem Weg abbringen kann.
Ich habe erst jetzt, 40 Jahre später realisiert welche Schäden mein Alkoholkonsum angerichtet hat. Früher war mir das keinen Gedanken wert. Seit ich 14 Jahre alt bin habe ich mehr oder weniger Wein oder Bier getrunken - je nachdem, was gerade "in" war. Ich fand es viele Jahre völlig in Ordnung, weil es ja alle in meinem Umfeld so machten und machen-aus Langeweile, Gewohnheit, zur Geselligkeit. Es gehört bei vielen Gelegenheiten wie selbstverständlich dazu. Als Alkoholikerin habe ich mich nie gesehen, weil ich tagsüber prima (mehr oder weniger gut) funktionierte. Ich hatte schon früh diesen tollen Job und ich hatte schon sehr früh viele Freiheiten. Es war einfach cool, abends in irgendeiner Kneipe zu sitzen, zu rauchen und zu trinken. Am Wochenende gingen wir immer aus, damals gab es dieses Alleintrinken noch nicht. Es war immer jemand da, der mitging und mit mir ein Gläschen oder zwei trank. Auch im Job gibt es immer noch das ,,normale" Feierabendbier oder den Wein zur Entspannung nach einem langen Arbeitstag. Aha! Alle mach(t)en das, da war es doch undenkbar, dass ich nicht mitzog oder dass daran etwas falsch sein konnte. Nach einigen Jahren, mehreren enttäuschten Beziehungen und auch einer furchtbar traurigen ersten Ehe merkte ich doch, dass mein Konsum mehr geworden war. Ich trank beispielsweise auf Partys mehr als ich vertrug und habe so manch peinliche Geschichte zu verantworten. Früher haben wir darüber gelacht, haben die Hitparade der peinlichsten Storys daraus gemacht - heute schäme ich mich dafür sehr.